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Kindesmisshandlung begünstigt Abhängigkeitserkrankung

Die 3 größten Irrtümer, warum Menschen mit Kindheitstrauma Alkohol und Sucht nur schwer oder nicht widerstehen können


Folgendes: Ich gehe auf eine Party oder muss in die Stadt und nach ein paar Stunden verspüre ich das Gefühl, unbedingt Alkohol trinken zu müssen. Wie kann ich es abstellen?

Die häufigste Fehleinschätzung beim Alkohol und Sucht ist es, dass wir denken, dass wenn wir das Konsumieren von Drogen abstellen, dann ist auch das Problem gelöst, was uns zur Sucht verleitet.


Irrtum Nr. 1.

“Ich muss es nur wollen, dann kann ich Alkohol und Abhängigkeit widerstehen. Wenn es nicht geht, dann bin ein Versager”

Wir wissen heute, dass zwischen 10- 50% der Menschen, die EIN traumatisches Erlebnis hatten, eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine andere psychische Störung entwickeln, z.B. Depression. Der Mehrzahl dieser Betroffenen kann geholfen werden. Bei Menschen mit Entwicklungstrauma ist die Situation komplizierter. Wenn man nicht nur einmalige, sondern frühkindliche, wiederholte, anhaltende und/oder komplexe Traumatisierungen erlebt hat, wie im Fall von Misshandlung, dann kommt es zu lang anhaltenden und tief greifenden Störungsmustern. Hierzu gehören u.a. Angst und Abhängigkeiten von Alkohol, Esssucht, Rauchen, Selbstverletzung, Arbeitssucht oder, oder… Zwei klinische Studien belegen es. Die US-Wissenschaftler um Kenneth Kendler hatten in einer vor wenigen Jahren veröffentlichten Studie gezeigt, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend das Risiko einer späteren Abhängigkeitserkrankung um das 3X!! Dreifache erhöhen. Auch die Freie Universität Amsterdam berichtet, dass Auswertungen von Studien unter Alkoholkranken ergeben haben, dass körperliche sowie seelische Übergriffe in der Kindheit – unabhängig von Geschlecht – eine spätere Alkoholabhängigkeit zu begünstigen scheinen.


Der eigentliche GRUND sind also lang anhaltenden (alte) und tief greifenden (in der Kindheit entwickelte Defizite im Gehirn) Störungsmustern. Hinzu kommt noch, dass auch Begleiterkrankungen wie Angstzustände treten bei diesen Erwachsenen häufiger auf.


Vernachlässigung, Alkoholismus, psychische und körperliche Misshandlung verursachen später oft Sucht
Vernachlässigung, Alkoholismus, psychische-körperliche Misshandlung verursachen später oft Sucht

Irrtum Nr. 2

“Wenn ich meine Angst ignoriere und unterdrücke, dann vergeht sie von allein!”

Was ist Angst und welche Folgen hat diese Emotion? Angst ist eine der Grundemotionen und dient zum Überleben. Sie geht immer mit einer erhöhten Anspannung einher.

Wenn Sie an komplexer PTBS oder PTBS erkrankt sind, dann kennen Sie die für uns charakteristische und typische Angststörung: die Flashbacks. Wie läuft es ab?

Dabei kommen belastende Erinnerungen beziehungsweise Fragmente von Erinnerungen plötzlich wieder ins Bewusstsein, so dass wir Betroffene die traumatische Situation erneut erleben. Um Auslöser von Flashbacks zu vermeiden (zum Beispiel Geräusche, Gerüche, Stimmen) ziehen wir uns oft aus dem sozialen Leben zurück.

Dieses Verhalten ist leider ein Trugschluss. Warum? Denn die Angst ist viel mehr vor dem Flashback selbst, also erinnert zu werden und weniger vor der aktuellen, realen Situation und evtl. einem Auslöser von Flashbacks unter Menschen. Das heißt, dass ich mich selbst in eine Misere hineintreibe und werde von meinem eigenen Spinnennetzt festgehalten.

Stellen Sie sich eine Fliege vor, der sich zufällig in einem Spinnennetz verheddert. – wenn sie aus dem Netz will, strampelt sie sich immer mehr in das Netz hinein und irgendwann ist sie eine schön verpackte Mahlzeit für die Spinne!

komplexe PTBS und PTBS: Flashbacks sind unberechenbare Angststörung von Traumatisierten: man wird binnen einer Sekunde in die Vergangenheit zurück katapultiert
"Flashbacks" sind eine unberechenbare Angststörung von Traumatisierten: man wird binnen einer Sekunde in die Vergangenheit zurück katapultiert

Der wahre GRUND ist also, dass man das Bedürfnis, das Gefühl von Angst offen zu zeigen, erdrückt.

So, wie auf der Party, wo man vielleicht auf eine Person, wie der einst misshandelnden Mutter ähnelt, treffen kann. Falls ich getriggert werde, “bekomme ich genauso die ungeheure Angst von damals, entwertet, beschimpft, gedemütigt, beschämt, vernachlässigt oder abgewiesen zu werden.”

Allein durch diese Angst bin ich schon sehr angespannt und die Folgen dieser Angst sind bereits ähnlich, wie in einem emotionalen Flashback.

Ich verspanne mich immer mehr, bis ich mich entscheide, die Anspannung durch Alkohol zu ertränken. Solange ich es nicht besser weiss, greife ich wiederkehrend zu Methoden, die ich kenne, und die Anspannung sehr schnell auflösen können.


Irrtum Nr. 3

“Wenn ich mich nur genug anstrenge, dann funktioniert es!”

Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt diese Frage gestellt: warum überhaupt sollte, darf ich meine Angst nicht zeigen? In unserer Gesellschaft sind für einen Durchschnittsmensch keine Gefühläußerungen “erlaubt” und “das tut man nicht”. Ob in der Familie oder am Arbeitsplatz, in der Bank oder beim Einkaufen: Wut, Enttäuschung, Weinen oder überglücklich zu sein, wird nicht gezeigt.

Genauso wenig Angst. Also wir versuchen, diese zu unterdrücken und allein damit klarzukommen. Wie läuft es ab?

Nun, die ersten Folgen von Angst nehmen wir meistens wahr, aber selten bewusst wahr. Schwitzen, unser Blutdruck, erweiterte Pupillen, flache und schnelle Atmung sind die ersten, physiologischen Symptome. Darüber hinaus passiert etwas Wesentliches: eine starke Veränderung in unserer Selbstwahrnehmung.

Wir Traumatisierte haben in unserer Selbstwahrnehmung bereits durch die Traumatisierung eine Verzerrung. Diese Verzerrung wird durch die mittlerweile kumuliert angespannte, aktuelle Situation durch

  • die Angst davor, erinnert zu werden, dann

  • die Angst vor dem eigentlichen Flashback und das Trauma nochmal erleben zu müssen

  • die Unterdrückung des Gefühls von Angst, damit man es mir nicht ansieht zugespitzt.

Wir befinden uns in unserem eigenen Spinnennetz. Wir nehmen uns selbst total gehemmt wahr und wir selbst hemmen uns immer mehr. Wir kriegen immer weniger mit, was sich in unserem Umfeld vorgeht. Wir sind total auf uns selbst fixiert. Zweifelfalls können wir nicht einmal mehr antworten, wenn jn uns etwas fragt. Die Anspannung ist langsam, aber sicher, immer weniger erträglich.


Der eigentliche GRUND hierbei dafür, dass ich der Sucht nicht widerstehen kann, sind die Folgen der unterdrückten Angst, die das Verlangen nach Alkohol nur noch mehr verstärken! So ich arbeite nochmals gegen mich selbst.

Aus dieser schiefen Lage resultiert dann eine Art Selbstbehandlung damit wir nicht nur die Angst aber auch die Folgen der Angst erdrücken….so greifen dann doch zum Alkohol oder Beschäftigungssucht, Unmengen an Sexualpartner, Essstörung oder die Selbstverletzung.

Anscheinend wissen wir es intuitiv, dass der Konsum von dämpfenden Substanzen wie Alkohol, Cannabis, Heroin und Benzodiazepinen (starkes Beruhigungsmittel), die PTBS-Symptome deutlich verringern. Diese legen nämlich das zentrale Nervensystem lahm.

Die Tragik ist nur, dass die Wirkung nur vorübergehend ist, weil die fragmentierten Gedächtnisspuren des traumatischen Ereignisses unverändert bestehen bleiben.

Unsere ERKENNTNIS: der wahre Grund für Alkohol bzw. Sucht ist es, das Gefühl von Angst zu unterdrücken und weil dies das Verlangen nach Suchtmittel verstärkt.


Und nun, was ist die LÖSUNG?

Keine sozialen Kontakte mehr? oder Selbstbehandlung weiterhin durch selbstschädigendes Verhalten? Oder, das Gefühl von Angst ausleben und auch dann, wenn es damit verbunden ist, dass ich anfangs die Party verlasse, weil ich keinen anderen Weg finde, die Anspannung in Entspannung zu transformieren. Im zweiten Schritt kann ich es lernen, die Angst auszuhalten. Hierbei kann ein Vertrauter oder der Therapeut unterstützen. Auch durch die Berührung dieser vertrauenswürdigen Person beruhigt uns sofort, weil es die Produktion von Oxytozin fördert und unser Sicherheitsgefühl unterstützt.


ÜBUNG: Wenn Sie mögen, können Sie Sich Notizen machen, welche Gefühle und Bedürfnisse bei Ihnen auftreten, wenn Sie die Angst verspüren. Wonach wäre es Ihnen eigentlich in dem Moment? Vielleicht laut schreien zu können oder 5 km gerade aus zu rennen? Oder voller Wut auf einen Boxsack einzuschlagen? Merken Sie sich die Frage aller Fragen: Wodurch kann ich die enorme Anspannung sehr rasch ausleben und abbauen? Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen.

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