Psychische Dekompensation ist bis heute ein Tabu Thema. Viele Menschen, die mit Trauma konfrontiert sind, erleben eine psychische Dekompensation. Komplextraumatisierte Menschen sind besonders anfällig für Dissoziation.
Dissoziation ist NICHT die Schutz vor uns selbst!
Sogar unter Fachkolleg:innen herrscht nicht selten ein Missverständnis. Dissoziation ist NICHT die Schutz vor uns selbst...sondern die Schutz unseres Selbst. Womöglich wahrhaft nachvollziehen, können es nur Menschen und Therapeut:innen, die es selbst erlebt haben?
Dissoziation ist ein psychologischer Zustand, der durch eine Trennung der normalerweise verbundenen Elemente des Erlebens und Bewusstseins gekennzeichnet ist. Menschen mit Komplextraumata - ich auch, und Viele unter Ihnen und Euch - erfahren und erfuhren in ihrem Leben eine solche Dauerbelastung,
dass sie ihre Erinnerungen, Gefühle, Erlebnisse und Identitäten schützend dissoziieren, um den Überlebensstress zu überstehen.
Das ist etwas völlig Anderes, zumal verläuft absolut autonom!
Dissoziation ist die Schutz unseres Selbst
Wir dissoziieren, damit wir unser Innerste schützen und bewahren können.
Damit es funktioniert, haben wir uns - meist noch unbewusst-, verschiedene Strategien entwickelt.
Dissoziation kann in vielen verschiedenen Formen auftreten, einschließlich
des Verlustes des Gedächtnisses,
der Aufteilung der Persönlichkeit auf mehrere Subpersonen (eigene Seiten von uns),
die Unfähigkeit, sich an bestimmte Dinge zu erinnern oder
sich starken Gefühlen auszusetzen.
In einem schweren Fall von Komplextrauma kann das Dissoziationsspektrum einzelne Aspekte des Verhaltens, des Denkens und des Erlebens betreffen, darunter auch das sexuelle Verhalten. In schweren Fällen können diese dissoziativen Phänomene
die Funktionen des Alltags stören und
zu einer Verringerung der psychischen Stabilität,
einer Verminderung der Handlungsfähigkeit und
einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.
Deswegen ist es so wichtig, dass Betroffene derartiger Traumata professionelle Unterstützung und einen wohlwollenden und liebevollen Raum erhalten, wo sie ihre Erlebnisse, Gefühle und Gedanken auch durch die Außenwelt behütet ausdrücken können.
Warum Dissoziation bzw. psychische Dekompensation Tabu ist
Sie ist immer noch ein Tabu-Thema.
Das Problem ist nicht nur, dass psychische Dekompensation von unserem Umfeld häufig nicht mit Verständnis aufgenommen wird, sondern auch, dass sie oft "ungenügend" beachtet wird, wenn es um Behandlung oder Prävention geht.
Viele Psychologen und psychiatrische Experten glauben, dass psychische Dekompensation oft nach Jahrzehnte lange Behandlung immer noch nicht das gleiche Maß an professioneller Aufmerksamkeit erhält, wie andere psychische Gesundheitsprobleme. Vor allem Betroffenen und Patienten, die an komplexem Trauma leiden, leiden unter einer mangelnden Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Wenn das Vertrauen fehlt
Selbst nach über 30 Jahren Behandlung mit Entwicklungstrauma (kPTBS) stehen viele Menschen immer noch vor der Herausforderung, sich anderen anzuvertrauen und ihr psychisches Trauma zu teilen.
Psychische Dekompensation ist ein sehr unangenehmes Thema. Viele Menschen, die mit Trauma konfrontiert sind, sehen es als Schande an, sich ohne Selbstkontrolle und Machtlosigkeit zu befinden. In vielen Fällen können wir nicht mit unseren psychischen Konflikten in uns umgehen und leiden unter Angstzuständen, Depressionen oder Zwängen.
Diese Symptome hindern uns häufig zusätzlich und fürchten uns davor, über unsere Erfahrungen zu sprechen oder Informationen an unsere Ärzte oder Therapeuten zu geben.
Scham und Selbst-Entwertung
Wir machen uns nicht selten unbewusst Sorgen, dass wir dafür verurteilt werden, wie es uns geht.
Wir fürchten uns auch vor der Reaktion der Menschen in unserem Umfeld und am Arbeitsplatz und haben Angst, dass man uns nicht glauben wird, dass wir verurteilt werden und man uns
"Menschen zweiter Wahl" abstempelt.
Diese Ängste machen es für Trauma Betroffene schwer, mit Dissoziation umzugehen und sie sind oft gezwungen, sich irgendwie selbst zu helfen, anstatt professionelle Unterstützung zu suchen.
Denn wir kennen nur Eines: wenn wir nicht funktionieren, sind wir schlecht, böse und unfähig. Folglich schämen wir uns oder fühlen uns schrecklich.
Nur wenn wir uns angenommen und umsorgt fühlen, können wir herausfinden, wie wir uns selbst regulieren können. Dann funktioniert die Co-Regulation. Vorher nicht.
Dann schaffen wir es auch unserem Leben eine neue Richtung zu geben, und die schmerzhaftesten Erfahrungen in ihrer Vergangenheit schließlich hinter sich zu lassen.
Folgen: Hoch Funktional Jahrzehnte lang bis zum Shut Down
Der innere Zwang immer wieder aufzustehen und weiterzumachen kann sehr lange andauern.
Was uns "jagt" ist immer noch die unbewusste Angst erneut betraft zu werden
und keine Zuwendung und Geborgenheit zu erhalten.
Auch ich habe es hinter mir. Bis zu dem Punkt, wo sich die kleinen "Dekompensationen" und "Ermüdungsdepressionen" in einen Shut Down überschlagen und das System NEIN sagt.
Menschen mit Entwicklungstrauma und Komplextrauma haben ein Nervensystem, das u.a. unwiderrufliche Schäden in sich trägt und gewissermaßen nicht mehr reparabel ist.
Auch typisch die Hochsensibilität unseres Nervensystems, welches bei Zusammenspiel unerwarteten Ereignissen bis heute einen Shut Down "herbeiführen" kann.
Wenn das Funktionieren dann irgendwann - meist durch ein erneutes Trauma - nicht mehr geht, bricht unser inneres Kartenhaus in sich zusammen. Spätestens hier beginnt die Heilung.
Dissoziation Spektrum
Die dissoziative Bewältigung von Trauma ist eine der häufigsten Reaktionen auf schwere Belastungen, insbesondere bei Menschen, die ein frühes Komplextrauma erlebt haben. Dissoziation kann sich in verschiedenen Formen manifestieren, von denen jede ihren eigenen Grad der Bewusstseinstrennung hat.
Am häufigsten ist die dissoziative Amnesie, ein Zustand der Gedächtnislücken, in denen Erinnerungen an traumatische Erlebnisse verloren gehen. Dies kann bei Einzeltrauma vorkommen, aber auch bei Menschen mit Komplextrauma ist es üblich, dass sie das Gefühl haben, nicht alle Details des Traumas erinnern zu können.
Eine weitere Form der dissoziativen Bewältigung ist die dissoziative Identitätsspaltung, in der sich unterschiedliche Persönlichkeiten ausbreiten, wobei keine als die primäre anerkannt wird.
Dies ist ein weiterer Weg, mit dem Komplextraumatisierte versuchen, sich selbst zu schützen, indem sie verschiedene Aspekte des Traumas in verschiedenen Persönlichkeiten abspalten.
Und schließlich gibt es einige dissoziative Zustände, die sich als eigenständige psychische Störungen bezeichnen lassen, wie die dissoziative Fugue, in der die Betroffenen sich an nichts mehr erinnern und plötzlich an einem unbekannten Ort aufwachen.
Dissoziation und Dekompensation sind keine Schande
Nun, auch ich, - die sich mittlerweile als glücklich und weitgehend in der Heilung vorangeschritten betrachtet - habe vor 2 Monaten eine Dekompensation erlebt. Nach 30 Jahren kPTBS als Folge von 15 Jahren Misshandlung und mit fast 20 Jahren Co-Abhängigkeit daraufhin folgend.
Ich berichte Ihnen und Euch mit allen Details dazu, denn ...
denn...nicht wir uns, sondern die Täter müssen sich schämen !
🔔Wie denken Sie und Ihr darüber?
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