Ab März, wenn die Natur erwacht, werden auch wir Menschen lebendiger.
Nach den Wintermonaten treibt uns eine innere Kraft nach Draußen und haben wir den Wunsch, dabei zu sein, wenn die Natur nach und nach wieder Grünes treibt, Die ersten Blüten erscheinen und auch Tiere, die sich die vergangenen Monate nicht mehr blicken ließen, begrüßen uns. Die Natur, wenn wir genau hinschauen, hat weise Botschaften an uns. Aber welche sind diese genau?
1. Wandel und Neubeginn
Die Natur beherrscht den perfekten Rhythmus einer Art Kreislaufes, wobei über 4 Schritte immer wieder etwas Neues entsteht, dann aufblüht, in sich frische Energie aufsaugt und einlagert, bis sie sich dann aufs Neue völlig zurückzieht und schließlich zur Ruhe und Regeneration schlafenlegt.
Mit der Natur im Einklang zu sein bedeutet, dass wir uns den Wandel der Jahreszeiten eigen machen und dadurch auf natürlicher Weise sowohl zur regelmäßigen Erneuerung als auch zur Regenerierung gelangen.
Es gab Zeiten, als der Mensch diese Fähigkeiten sehr gut beherrschte. Das ist uns leider bereits seit längerem abhandengekommen und in unserer schnelllebiger Welt, mit immer größeren Herausforderungen und Druck nur noch sehr schwer gelingt.
Harold Searles, ein amerikanischer Psychiater und Psychoanalytiker beschrieb es schon in den 1960-er Jahren: "In den letzten Jahrzehnten haben wir unseren Lebensraum von einer Welt, in der die lebendigen Werke der Natur entweder vorherrschten oder in greifbarer Nähe waren, in eine andere Welt verlagert, die in eine erstaunlich leistungsstarken, aber toten Technologie beherrscht wird."
Nicht nur Searles war überzeugt davon, dass wir über eine Gabe verfügen, mittels der Natur zu einer umfassenden Sinngebung zu gelangen und leider dies erst dann offenkundig werde, wenn wir bereits in einer Krise stecken. Bester Beispiel ist hierfür die wütende Pandemie und ihre Folgen, wo wir uns jetzt mehr besinnt haben, denn je und ohne die Existenz der Natur, - welche uns so viel gibt-, nicht mehr ganz viel hätten.
Über diese Beobachtung und Gabe können wir auch schon in alten Yoga-Texte lesen und zeugt davon, dass wir Menschen eher zur Natur gehören als zur Technologie, wenn wir für uns ein sinnstiftendes und nachhaltiges Leben wünschen.
Dies gibt uns die Hoffnung, die Gabe mit unserer Natur im Einklang leben zu können, nicht verlernt zu haben und das wir in der Lage sind, die unersetzbare Möglichkeiten wieder zu entdecken und damit sowohl der Natur als auch uns selbst Gutes und Heilsames zu tun.
Das Wesentliche wird zunächst noch sein, diese Fähigkeit in uns so tief zu verankern, dass es nicht erst eine Krise bedarf, damit wir unser Umfeld wahrnehmen und wertschätzen.
2. Wo? Hier. Wann? Jetzt! - oder nie
Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass die Gegenwart ganze 3 Sekunden lang dauert. Es bedeutet, dass alles was davor war, ist für uns "die Vergangenheit" und alles, was danach kommt, nennen wir "Zukunft". So wird es uns klar, warum es uns so schwerfällt, in der Gegenwart zu sein, gar zu bleiben. Wir kreieren eine immer länger werdende Geschichte als Vergangenheit und denken stets über ein Ort als Zukunft nach, welches genauso wenig existiert, wie das Ort von Vergangenem.
Da wir es aber wissen, dass wir nur in der Gegenwart, nur Jetzt und Hier etwas verändern können, wäre es hilfreich, bestimmte Möglichkeiten zu kennen, öfters in der Gegenwart zu sein.
Wann? Jetzt!
Woran wir es merken, dass wir uns in dem Moment befinden?
Meist daran, dass wir in etwas völlig aufgehen und all unsere Sinne dazu benutzen, um wahrzunehmen und wir dabei kaum oder sogar gar keine Gedanken haben. Eigentlich merken wir es erst meist später, wenn wir diesen Zustand bereits verlassen haben und spüren, dass es uns gut getan hat, wir Kraft tanken konnten und es uns erdet.
Die einfachste Methode im Hier & Jetzt zu verweilen ist es, was Kinder machen, nämlich spielen. Und das auch oft alleine. Der ungarische Psychologe Csíkszentmihályi Mihály beschrieb dieses Erlebnis als Flow. Die Selbstvergessenheit bereichert uns an sich immer, wenn wir uns Sachen widmen, die wir sehr gerne machen und uns Freude spenden.
Ein andere Tür zu diesem Erlebnis öffnet "Der andere Weg", wie es der Autor Jochen Mariss beschreibt:
Der andere Weg
Je stiller wir sind,
umso mehr hören wir.
Je langsamer wir leben,
umso mehr Zeit haben wir.
Je mehr Liebe wir verschenken,
umso reicher ist unser Herz.
Auch C.G. Jung hat das Stillwerden schon kultiviert, indem er sich regelmäßig alleine, ohne Elektrizität zurückgezogen hat und sich der Natur übergeben hat. So konnte er für sich immer wieder neue Stärke und Freiheit finden.
Ralph Waldo Emerson, der bekannte Naturphilosoph empfahl uns schon im XIX. Jh. das Gleiche: "Was hinter uns und vor uns liegt, ist nichts, verglichen mit dem, was in uns liegt". - und ruht.
Eine zentrale Botschaft um einen lebendigen Bezug zur Gegenwart herzustellen finden wir im Yoga Sutra von Patañjali, vor 2000 Jahren:
'yogaś citta-vr̥tti-nirodhaḥ ॥2॥' auf Sanskrit योगश्चित्तवृत्तिनिरोधः ॥२॥
Übersetzt heißt es sinngemäß, dass wir erst dann die Kohärenz bzw. innere Harmonie in uns finden, wenn die Bewegung der Gedanken zur Ruhe kommt und unser Geist und unsere Gefühle eine Einheit bilden. Dann "sind wir da" und sind völlig präsent.
Wenn diese Präsenz länger anhalten kann, werden wir genauso mehr in dem Moment sein und uns dem Rhythmus der Natur hingeben können, wie dies alle Pflanzen und Tiere tun.
Wie oft gelingt es Dir, in dem Moment zu sein?
3. Prävention bei Depression, Burnout, Trauma
Viele Studien belegen, dass uns Natur guttut.
Der Aufenthalt in der Natur hilft uns nicht nur von Stressbelastungen zu erholen, sondern wappnet uns auch für zukünftige Belastungen. Unsere Belastbarkeit und dadurch unsere Resilienz erhöht sich, hat ein Team an der University of Essex nachweisen können.
Nicht nur Achtsamkeit - also in dem gegenwärtigen Moment, wertungs-frei zu leben - sondern auch eine andere, sehr alte Methode, die Meditation wird immer mehr in die westliche Medizin als Therapieform und Tool zum Selbsterkenntnis integriert. An einer Universität in der Schweiz wird bereits Meditation an Psychologen gelehrt.
Beide Selbstfürsorge-Praktiken können recht einfach als Gewohnheit in unser Leben
einkehren. Die echten Ressourcen liegen deshalb darin, weil wir wieder eine lebendige Beziehung zu uns Selbst erfahren, was in uns so oft nur noch als Erinnerung oder Miss-Verständnis existiert. Was ich damit meine?
Wenn Du 10 Menschen fragen würdest "Wann hast Du das letzte Mal über Dich selbst nachgedacht?" antworten vielleicht 2-3 mit einem "na vor paar Tagen". Und wenn man dann nachhakt: "und war das ein Tadel oder ein Lob?"
=> Was denkst Du, wie die meisten Antworten lauten?
Damit wir es wissen, was uns guttut, wie z.B. die Natur und die Selbstfürsorge, und was nicht, wie z.B. das sich-Selbst-missachten oder unsere Werte aufgeben, ist es sehr ratsam, regelmäßig nach Innen zu schauen und das "Getümmel" an Gedanken etwas einzubremsen.
Wenn wir es schaffen, wieder klar zu sehen und ohne uns dabei zu verurteilen, wie "warum ich schon wieder den Sport schwänze??" sondern uns annehmen können, etwa "das gehört auch mal dazu und zu mir. Es ist weder gut, noch schlecht, heute ist es so.", dann tun wir uns einen großen Gefallen und starten nicht nur automatisch die innere Selbstregulation, aber stärken auch unsere Resilienz,
So wie die Natur es tut, Tag ein und Tag aus.
Earth Day I 22. April
Jeder von uns, der einen Garten hat oder einen Wald oder Park in der Nähe, freut sich auf die Zeit von Gärtnern, Spaziergängen oder Wandern,
Die Natur und unsere Erde ist aber mehr, als nur ein Aufenthaltsort im Allgemeinen.
Die Erde bietet einen wunderschönen Lebensraum, ohne den wir nicht überleben können.
Gärtnern und Verweilen in der Natur gibt uns ein verändertes Zeitgefühl. Wir schalten einen Gang herunter und plötzlich erfahren es für eine Weile, wie es wohl gewesen sein mag, als unsere Vorfahren noch im Einklang mit der Erde und viel mehr auch mit sich selbst verbunden lebten.
Der Umwelt ist die letzten Jahrzehnten immer schlechter bestellt.
Die Erde ist krank.
Am 22. April ist Tag der Erde.
Nimm Dir ein paar bewussten Minuten an jenem Tag und bedanke Dich ab jetzt vielleicht jeden Tag für das Geschenk, welches uns umgibt.
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